Ein Sonntag in Hamburg, und es ist minus fünf Grad kalt.


Wir tragen Wollsocken an den Füßen, Fleecedecken zu einem Elektroauto, das auch noch mit Handschuhen, Müsliriegeln, einer Thermoskanne mit heißem Tee und diversen Karten für Ladesäulen bestückt wird.


Ich fühle mich wie Bertha Benz, die 1888 von Mannheim nach Pforzheim fuhr und dabei bewies, dass Fernreisen per Auto machbar sind. Was ich 130 Jahre später erfahren will: ob ein elektrischer Kleinwagen für die Reise von Hamburg nach Stuttgart taugt.


Bertha hatte ihre beiden Söhne dabei. Mich begleitet meine 14-jährige Tochter in die Autohauptstadt, um Oma und Opa zu besuchen. Mein Vater hat fast sein ganzes Berufsleben »beim Daimler geschafft«, womit sich der Kreis ja irgendwie schließt.


Wir starten also in den frühen Morgenstunden in Hamburgs Osten, werden unterwegs mehr Ladestopps als geplant einlegen und wollen noch heute abend in Stuttgart-Botnang eintreffen.

Wie bitte – noch heute? An dieser Stelle steigen Menschen, die mit ihrem Diesel 1000 Kilometer ohne Tankstopp zurücklegen, die beruflich darauf angewiesen sind, Termine einzuhalten und keine Zeit für das Glücksspiel Ladesäule haben, oder die es gewohnt sind, mit 180 Kilometer pro Stunde voranzukommen, gleich wieder aus.


Wenn Sie sich jetzt fragen, wieso mich diese Reise begeistert hat, bleiben Sie bitte an Bord.



Wir gleiten geräuschlos vom Hof und erreichen nach einer Viertelstunde die A1 Richtung Hannover. Ich trage Handschuhe, weil das Lenkrad so kalt ist, und meine Tochter wickelt sich in die Decke, weil Papa die Klimaanlage nur auf 16 Grad stellt. Anders als beim Verbrennen fossiler Flüssigkeit entsteht beim Elektroautofahren weniger Abwärme, mit der sich nebenbei der Fahrzeuginnenraum heizen ließe. Dafür müsste die Klimaanlage wertvollen Strom in Wärme umwandeln, der dann von der Reichweite abginge. Wir schalten dafür die elektrischen Sitzheizungen ein. Weil die nur den Körper wärmen und nicht den gesamten Innenraum, sparen wir Strom.


Nach den ersten Autobahnkilometern lese ich den Durchschnittsverbrauch ab: zwischen 18 und 19 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Zu viel, um ohne Risiko Hannover zu erreichen. Liegt vielleicht auch am kalten Akku, der erst Betriebstemperatur erreichen muss.


Wellness-Oase in der Lüneburger Heide


Nach 86 Kilometern erreichen wir die Autoraststätte Vorm Wietzenbruch West bei Soltau. Die Ladesäule wird zur Wellness-Oase: Während die Batterie lädt, rauscht das Gebläse der Klimaanlage, die den Innenraum aufheizt, und der Akku wird auf seine Wohlfühltemperatur erwärmt. Ist mir ein bisschen peinlich, denn der Strom ist hier kostenlos. Während wir hier die nächsten 20 Minuten warmlaufen, erzähle ich Ihnen mal von meinen Reisevorbereitungen:


Alles kreist um die Stromversorgung:

Wo sind die geeigneten Ladesäulen?

Wie aktiviere ich die?

Wie lautet Plan B?

Wie lautet Plan C?


Unser Fahrzeug (ein BMW i3 von 2017) ist gut in der Stadt und Umgebung, weil es klein, wendig und sparsam, außerdem leise und emissionsfrei unterwegs ist. Mit der relativ kleinen Batterie von 33 Kilowattstunden und mit 1320 Kilo Leergewicht ist der Wagen nicht schwerer als vergleichbare Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Und der sogenannte ökologische Rucksack ist nach 25 000 Kilometern mit Ökostrom nicht größer als der eines vergleichbaren Dieselfahrzeugs.


Aber Autobahn? Für dieses Modell mit nutzbaren 27,2 Kilowattstunden verspricht der Hersteller eine sogenannte Alltagsreichweite von 200 Kilometern. Die schrumpft bei Tempo 100 auf der Autobahn aber schnell auf 150 Kilometer. Wir haben diesmal keinen Range Extender dabei. Dazu später mehr. Stattdessen ist eine Wärmepumpe an Bord, die weniger Strom verbraucht als eine herkömmliche Heizung, allerdings bei minus fünf Grad wirkungslos bleibt.


Vor der Reise habe ich den Routenplaner auf www.goingelectric.de aufgerufen. Dort gebe ich Start (Hamburg), Ziel (Stuttgart), Fahrzeugtyp (BMW i3, 33 Kilowattstunden) Ladestecker (CCS) und meine Ladekarten (ChargeNow, NewMotion, PlugSurfing) ein. Ich bestimme, dass alle meine Ladesäulen direkt an der vorgeschlagenen Route liegen sollen (höchstens einen Kilometer abseits der Autobahn).


Wenn ich am selben Tage ankommen möchte, brauche ich Schnellladesäulen mit dem sogenannten CCS-Stecker (Combined Charging System), dem europäischen Standard. 50 Kilowatt Leistung reichen, um Strom für 100 Kilometer in 20 Minuten zu laden.


Auf dem Display erscheint eine Deutschlandkarte mit markierter Route entlang der A7, auf der nur drei Ladestopps markiert sind. Verwegen setzt die Software voraus, dass ich den Akku auch mal bis auf drei Prozent leerfahren würde. Dazu eine Prognose der Fahrtdauer: 7 Stunden und 12 Minuten. Und der Ladezeit: 3 Stunden und 22 Minuten. Die Reise soll also 10 Stunden und 34 Minuten dauern.


Ich bin weniger mutig und erhöhe die Zahl der Ladestopps. Zusätzlich plane ich die Ladedauer so, dass ich jeweils mit 80 Prozent weiterfahre, weil die letzten 20 Prozent zur Schonung der Batteriezellen wesentlich langsamer laden. Die Prognose sinkt auf 9 Stunden und 44 Minuten.


Mein Plan A sieht so aus: Ich fahre rund 100 Kilometer bis zu einer Ladesäule und behalte eine Stromreserve für weitere 50. Ist der Ladepunkt belegt, defekt oder zugeparkt, fahre ich eben zur nächsten Säule (Plan B). Ist diese auch belegt, Sie ahnen es (Plan C). Entlang meiner Route zwischen Hamburg und Stuttgart liegen laut Routenplaner 52 Stromtankstellen mit 50 Kilowatt. Allerdings unterschiedlich verteilt. Im Norden zwischen Soltau und Isernhagen klafft ein Ladeloch von 64 Kilometern.


Eine halbe Stunde ist rum. Wir können weiterfahren.




Ladeweile mit Pizza


Inzwischen ist der durchschnittliche Stromverbrauch auf 15 Kilowattstunden gesunken.
80 Kilometer weiter, an der Raststätte Hannover-Wülferode West, hängt der kleine BMW wieder an einem Schnellladekabel. Diesmal kostet es. Die Ladesäule kann ich mit einem Schlüsselanhänger mit RFID-Chip freischalten. Wir gehen in die Raststätte zum Pizzaessen. Später werden auf der Abrechnung 13,65 Euro für 40 Minuten Ladezeit stehen. Allerdings: »Volumen: unbekannt«.


Ladesäulen haben weder einen Schlitz für Münzen noch für EC- oder Kreditkarten, manchmal nicht mal ein Display. Gezahlt wird per App oder RFID-Chip. Dummerweise gibt es in Deutschland ungefähr so viele regionale Stromanbieter wie Fürstentümer zum Ende des 18. Jahrhunderts. Um nicht Dutzende von Verträgen abschließen zu müssen, gibt es wie beim Mobiltelefonieren Roaming. Ich habe die Apps von drei großen Anbietern dabei und kann mich damit fast durch ganz Europa laden. NewMotion, der größte Anbieter, ermöglicht den Zugang zu über 80 000 Ladestationen.


Stromtourist am Harzrand


Entschuldigung: Seit dem letzten Stop sind erst 56 Kilometer vergangen. Aber der Maxi-Autohof Rhüden am Harz ist interessant. Einerseits, weil hier gleich vier Säulen mit CCS-Stecker stehen. Andererseits, weil sich gleich daneben 8 von 10 000 Tesla-Supercharger-Säulen besichtigen lassen, dem engmaschigsten Ladenetzwerk der Welt: exklusiv für Tesla-Kunden, die hier mit 120 Kilowatt superschnell laden können. Unser BMW wird hier nicht bedient und nuckelt stattdessen mit 50 Kilowatt an der CCS-Säule.


Wir laden in 16 Minuten 11 Kilowattstunden, bezahlen dafür 6,30 Euro und begeben uns auf die nächste Etappe von 100 Kilometern.


Fehlen Lademöglichkeiten in Deutschland? Nein, behauptet der Energieversorger E.on, der während einer Studie Mitte 2018 ermittelte, dass auf knapp 54 000 E-Autos mehr als 12 000 öffentliche Ladestationen mit teilweise mehreren Ladeanschlüssen warten. Im Schnitt kommen auf einen Anschluss 4,5 Stromer. Und die sind nicht gleichmäßig verteilt. Bayern hat die meisten Elektroautos (12 953) und 5,6 Fahrzeuge pro Ladepunkt. Im Großraum München konkurrieren schon 11,4 E-Autos um einen Stecker. Ziemlich ausgeglichen ist die Lage in Thüringen: 731 Elektroautos und 315 Ladestationen.


Und die Ladestationen sind unterschiedlich schnell. Nun sind wir keine Laternenparker, die den Akku gemütlich über Nacht füllen, sondern Fernreisende auf der Autobahn. Für uns haben die deutschen Autohersteller zusammen mit Ford ein Konsortium namens Ionity gegründet, das bis Ende 2020 an 400 Standorten in 18 Ländern Schnelllader aufstellen will. Entlang der Schnellstraßen und Autobahnen sollen wir dann alle 120 Kilometer mit bis zu 350 Kilowatt Energie tanken können. Noch aber ist das die Zukunft. Und die Gegenwart ist weniger rasant:


Interaktive Grafik: Wischen Sie seitlich oder tippen Sie auf die Punkte




Entschleunigung auf der rechten Spur


Wir erreichen Hessen. Der Autohof Lohfeldener Rüssel ist etwas ganz Besonderes. Hier gibt es alle Arten von Kraftstoff: Schnellladestrom, serviert unter großen Fotovoltaikdächern, Erdgas, Autogas und Wasserstoff, Benzin und Diesel sowieso. Wir entscheiden uns für 19 Kilowattstunden für 5,70 Euro und verbringen die 39 Minuten bis zur Weiterfahrt erst in einer futuristischen Autobahnkapelle mit Chorälen vom Band und dann bei heißem Kakao vor dem Kamin der Raststätte.


Dass unsere Reise länger dauern wird, als vom Routenplaner kalkuliert, liegt auch daran, dass wir es überhaupt nicht eilig haben. Der bescheidene Anspruch lautet: ankommen. Wir machen es uns auf der rechten Spur gemütlich wie in einem Wohnzimmer. Die Außentemperatur ist über den Nullpunkt geklettert und im Wageninneren wird nicht mehr mit Wärme gegeizt. Vermutlich wirkt jetzt auch die Wärmepumpe. Ich schwimme moderat im Verkehr mit, fahre mal mit 90 Kilometer pro Stunde hinter einem Wohnmobil her, um dann mit 120 Kilometer pro Stunde zu überholen, oder freue mich, wenn der Elektromotor mit 250 Newtonmetern die Kasseler Berge hochschiebt. Der Motor hat die Laufkultur eines Rolls-Royce. Keine Unruhe beim Schalten (es gibt nur einen Vorwärtsgang) und kein Lärm beim Beschleunigen (eben keine Explosionen im Motor). Bremsen muss ich auch nicht. Es reicht, den Fuß vom Gaspedal (Strompedal?) zu nehmen. Bei vorausschauender Fahrweise reicht der Widerstand des Motors zum Bremsen. Dabei wird ein Teil der Bremsenergie wieder in Strom für den Akku umgewandelt, die sogenannte Rekuperation. Das Dahinschweben fühlt sich an wie eine Meditation und lässt die Erfindungen von Nikolaus Otto (1832 bis 1891) und Rudolf Diesel (1858 bis 1913) so alt aussehen wie Röhrenfernseher oder Handys von Nokia.




Leiden beim Laden


108 Kilometer weiter vermisse ich zum ersten Mal die Selbstverständlichkeit des Energieeinkaufs an einer Tanke. Den Euro Rastpark Eichenzell habe ich extra wegen der vier CCS-Ladepunkte angesteuert. Aber nach 13 Minuten Ladezeit kommen mir Zweifel an der Anzeige des Bordcomputers. Es sind erst 0,6 Kilowattstunden durch das dicke Schnellladekabel geflossen. Irritiert komme ich gar nicht auf den Gedanken, einfach eine der drei freien Nachbarsäulen zu probieren. Ich bin schon bei Plan B: weiterfahren.


Es ist nicht meine erste Erfahrung mit fehlgeschlagenen Ladeversuchen. Es gibt nicht nur viele Stromanbieter. Ebenso vielfältig ist die Art der Ladesäulenmodelle. Jede kommuniziert anders mit dem unerfahrenen Durchreisenden: Mal müssen Knöpfchen in einer bestimmten Reihenfolge gedrückt werden. Oder ich muss im Untermenü eines Touchscreens die zu einem der drei Kabel gehörende Nummer eingeben. Manchmal habe ich Glück und werde von klar verständlichen Piktogrammen durch die Anmeldung gelotst. Meistens geht es gut. Manchmal geht etwas schief. Dann meldet das Display beispielsweise an einer Ladesäule in Hamburg: »Ihr Stecker ist zu klein.«. So als hätte ich versucht, mein Smartphone aufzuladen. An einer Schnellladesäule an der Autobahn Richtung Berlin konnten wir erfolgreich Strom zapfen, aber anschließend das Kabel nicht mehr vom Auto lösen. Durch so ein zentimeterdickes Kabel fließt der Strom mit 125 Ampere Stärke und mehr als 500 Volt Spannung. Daher wird der Stecker sicherheitshalber verriegelt und erst nach dem Laden wieder freigegeben. Wir hingen in doppelter Hinsicht fest. Ich wählte die Nummer der Hotline, die auf der Säule stand, und hing in der Warteschleife des Säulenbetreibers. Nach einer Viertelstunde legte ich auf und drückte den roten Notfallknopf. Wir konnten die Fahrt fortsetzen.




Plan B


Zehn Kilometer weiter rollt der BMW auf die Autobahnraststätte Uttrichshausen West an eine Ladesäule des Stromanbieters E.on. Wieder gibt es ein Problem. Alle meine Ladeschlüssel von NewMotion, Plugsurfing und ChargeNow können die Ladesäule nicht freischalten. Das Display fordert mich auf, meine Kreditkartendaten einzugeben. Nervös tippe ich mich durch die Prozedur. Tage später werde ich auf meinem iPhone unter den vielen Apps von Stromnetzwerken, die ich über die Monate gesammelt hatte, auch die von E.on. wiederentdecken. Hätte mir aber auch nichts genützt. Die Kreditkarte wird akzeptiert, aber der Stecker bleibt stromlos. Ich erreiche sogar telefonisch die Hotline. Aber die kann die Ladung auch nicht freigeben. Man kann also auch zweimal hintereinander Pech haben.


Wehmütig erinnere ich mich an unseren Rex (nein, kein Schäferhund). Im Herbst fuhr ich meine Familie in einem i3 der ersten Generation nach Polen. Die nutzbare Kapazität des Akkus betrug damals nur 18,8 Kilowattstunden. Das reichte bei durchschnittlich 100 Kilometer pro Stunde für rund 100 Kilometer Autobahn. Das klingt abenteuerlicher, als es war, weil in den Wagen ein sogenannter »Range Extender« oder Reichweitenverlängerer, kurz Rex, eingebaut war. Das ist ein kleiner Zwei-Zylinder-Rollermotor mit 34 PS und Neun-Liter-Benzintank, der einen Stromgenerator antreibt. Früh zugeschaltet verzögert er das Entladen der Batterie oder springt automatisch an, wenn der Strom zur Neige geht. Gibt es weit und breit keine verfügbare Ladesäule, steuern wir unseren Stromer ausnahmsweise an eine Tankstelle, kaufen neun Liter Brennstoff und beruhigen den Tankwart (»Haben Sie gerade ernsthaft versucht, Benzin in Ihr Elektroauto zu füllen?«).


Bei Stress auf der Straße fällt mir immer ein Werbespot für das autonome Fahren ein: Reisende, die mit den Kindern spielen, Bücher lesen oder sich ein Nickerchen gönnen. Kommt von der Deutschen Bahn. Hätten wir doch den Zug nehmen sollen?




Plan C


23 Kilometer weiter – schon in Bayern – fällt mir ein Stein vom Herzen. An der Raststätte Rhön West können wir wieder problemlos laden. Wie gehabt bis 80 Prozent. Wir rufen in Stuttgart an, um zu melden, dass wir deutlich später als geplant eintreffen werden.


Schon wer die Preise für Elektroautos hört, winkt kopfschüttelnd ab. Zu teuer, um den fossil befeuerten Konzernbrüdern Konkurrenz zu machen.


Der ADAC hat im Oktober acht Elektroautos mit vergleichbar ausgestatteten Benzinern und Dieselfahrzeugen des gleichen Herstellers verglichen. Mit dem Ergebnis, dass das Stromern oft überraschend günstig ist. Der BMW i3s fährt mit 53,6 Cent pro Kilometer günstiger als der BMW 218d Active Tourer mit Diesel (57,4 Cent) oder der 218i Active Tourer mit Benzin (60,6 Cent).


Dem hohen Kaufpreis stehen niedrigere »Treibstoff«-Kosten, geringere Werkstattkosten, zehn Jahre ohne Kfz-Steuer bei Erstzulassung und, je nach Kommune, Privilegien beim Parken gegenüber. Inzwischen hat sich ein Gebrauchtwagenmarkt für E-Autos entwickelt, der zeigt, dass der Wertverlust geringer ausfällt als anfangs befürchtet.


Ein Ausfall des Akkus, des teuersten Bauteils, käme einem Totalschaden gleich. Der würde jedoch erst jenseits der Garantielaufzeit (bei den BMW-i-Modellen: acht Jahre beziehungsweise 100 000 Kilometer) eintreten.


Wer sein Auto noch vor dem 30. Juni 2019 kauft, kann eventuell 4000 Euro Elektroautoprämie mitnehmen.


Erschwert wird die Vergleichbarkeit durch unterschiedliche Eigenschaften der Konkurrenten (BMW: Reichweiten von 208 bis 911 Kilometer; Viersitzer gegen Siebensitzer) oder fehlende »Schwesterschiffe« (Der Tesla X muss dann eben mit einem Audi SQ7 verglichen werden.)


Das Fazit des Clubs: Je mehr ein Elektroauto fährt, desto eher rechnet es sich.




Letzte Ladung


Es ist längst dunkel, als wir nach 93 Kilometern die letzte Pause unserer Reise einlegen: Die erste baden-württembergische Ladesäule liegt an der Raststätte Ob der Tauber West. Wir laden noch einmal für die letzten 121 Kilometer bis zum Ziel.




Wir! Sind! Da! Unsere Reise in Zahlen:


Hamburg — Stuttgart = 700 Kilometer = 8 Ladestopps = 11,5 Stunden Reisezeit


Geht das besser? Die Fahrt verlief sehr entspannt, nur zweimal wurde ich nervös, weil uns fast der Strom ausging. Etappen von 80 Kilometern zwischen zwei Ladepausen sind mir jetzt zu kurz. Ich will künftig weiter fahren und kürzer laden.

Seit November verkauft BMW den i3 mit 42 Kilowattstunden Akkuleistung. Dann sollte meine Kilometerformel für die Autobahn so aussehen:


200 … 150 … 150 … 200 Kilometer.


Also vollgeladen losfahren, immer nur zu 80 Prozent aufladen und bis zum Ziel leerfahren (aber nur, wenn es dort Strom gibt). Dann müsste die Tour (ohne Baustellen, ohne Staus) unter neun Stunden zu schaffen sein.



Fazit: Gehöre ich zur Zielgruppe für so ein Auto?


Nein. Ich habe Glück und wohne in Hamburg, einer Großstadt mit einem vernünftigen Mobilitätsangebot. Für die Kurzstrecke gibt es Fahrradwege, Bus- und Bahnlinien. Für die Langstrecke den Hauptbahnhof, den Flughafen und Autovermietungen, für spontane Ausflüge oder Transporte das Carsharing.


Oder doch? Wer kauft denn ein Auto nur mit dem Verstand? Seit ich zum ersten Mal ein E-Auto startete und mit geisterhafter Stille aus der Parklücke schwebte, ist bei mir jegliche Begeisterung für die Fahrzeuge mit Knallkörpern unter der Motorhaube verloren. Das elektrische Fahren verändert: Anfangs habe ich noch mit kindlicher Begeisterung das Strompedal durchgetreten, um beim Ampelstart in 3,7 Sekunden auf Tempo 60 zu beschleunigen. Aber schnell geht die Laufruhe des Elektromotors auf den Fahrer über. Rasen auf der Autobahn bestraft sowieso der Akku. Also Entschleunigung. Die Not wird zur Tugend. Gleiten statt Rasen. Und tugendhaft fühle ich mich auch in der Gewissheit, dass das Auto keinen Auspuff hat – keine Stickoxide, keine Kohlenmonoxide, kein Feinstaub.


Und die Mitbürger, die keine Haltestelle vor der Haustür haben? Die darauf angewiesen sind, täglich mit dem Auto zur Arbeit und zurück zu pendeln? Sollten über die elektrische Alternative nachdenken. Die realen Reichweiten (aktuell bei knapp 300 Kilometer) reichen für die meisten Arbeitswege aus. Wenn dann noch der Arbeitgeber eine Steckdose bereithält, verdoppelt das noch den Aktionsradius.


Brauche ich überhaupt eine Garage mit Steckdose? Kommt drauf an. Wenn Sie Ihr E-Auto an den Werktagen nur jeweils 40 Kilometer bewegen, warten Sie mit dem Laden doch bis zum Wochenende. Laden Sie den Wagen kostenlos bei Aldi oder Kaufland oder vor Ikea, während Sie dort Ihre Einkäufe erledigen.


In ländlichen Regionen könnte eine mobile Wallbox für Sicherheit sorgen. Damit kann der E-Autofahrer sein Fahrzeug an die roten und blauen CEE-Steckdosen hängen, die in Gewerbebetrieben und auf Campingplätzen zu finden sind. Mit bis zu 22 Kilowatt laden diese so schnell wie die öffentlichen Wechselstromladesäulen.


Besorgen Sie sich eine kostenlose App wie »Chargemap«, »ChargEV«, »mehr-tanken« und »Stromtankstellenfinder«. Lassen Sie sich auf der Karte zeigen, wo an Ihrem Standort oder auf Ihrer Route Ladesäulen stehen, was die kosten und wie die Erfahrungen der bisherigen Nutzer sind. Die geben oftmals wertvolle Tipps zur Zuverlässigkeit der Säule oder empfehlen ein Café um die Ecke zur Überbrückung der Ladeweile.


Und wenn Sie es noch immer nicht wissen: Setzen Sie sich selbst in ein Elektromobil. Drücken Sie den Startknopf. Und schweben Sie mal eine Runde:




Schweben statt rasen

Eine Reise mit acht Ladepausen

TEAM


Autor: Michael Walter

Programmierung: Chris Kurt

Grafik: Michael Walter, Max Heber

Dokumentation: Janine Große, Peter Wetter

Redaktion: Jens Radü


Quellen: ADAC, Deutsche Bahn, GoingElectric, Kraftfahrt-Bundesamt
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