Die »Aquarius« ist wieder in See gestochen. Zuletzt wurde sie von den Wogen des Rechtspopulismus hin und her geworfen.
Die »Aquarius« ist wieder in See gestochen. Zuletzt wurde sie von den Wogen des Rechtspopulismus hin und her geworfen.
Die »Aquarius« ist auf dem Weg zur womöglich schwierigsten Mission bislang. Doch die Crew hat sich vorbereitet.
Anfang 2016 läuft das 77 Meter lange ehemalige deutsche Fischereischutzschiff »Aquarius« erstmals zur Rettung von Flüchtlingen aus und hat nach Angaben des Betreibers SOS Méditerranée seitdem fast 30000 Menschen das Leben gerettet.
Nach zehn Tagen erspäht die Crew der »Aquarius« ein Holzboot am Horizont. Jetzt muss alles ganz schnell gehen.
Diese Menschen, die das Meer überlebt haben, sollen für die Probleme unseres Kontinents verantwortlich sein? Europas Rechtspopulisten sind einfache Fakten entgegenzuhalten: Von den 68,5 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht sind zwei Drittel in ihrem Land geblieben, knapp 20 Millionen wurden außerhalb Europas aufgenommen. Und nach den über eine Million im Jahr 2015 sind dieses Jahr bislang nur 85000 Migranten nach Europa gekommen.
Nach der Rettung von 141 Personen überwiegend aus Somalia und Eritrea bemüht sich die Crew der »Aquarius« darum, die Wunden der Geretteten zu behandeln und ihnen zu helfen, den Schock der Überfahrt hinter sich zu lassen.
Zur Genesung an Bord tragen nicht nur Medikamente, Schlaf und warmer Tee bei. Wichtiger Bestandteil des Equipments sind auch ein Akkordeon und Trommeln.
Nachdem sich Italien und zunächst auch Malta weigern, der »Aquarius« die Einfahrt zu genehmigen, darf das Schiff nach fast fünf Tagen des Wartens im Hafen von Valletta einfahren. Allerdings erst, nachdem sich fünf andere EU-Staaten bereit erklärt haben, die Flüchtlinge aufzunehmen – darunter Deutschland, das 50 von ihnen übernehmen wird.
Mission erfüllt? Mitnichten. Wenige Tage nach Ankunft der »Aquarius« auf Malta verweigert Matteo Salvini einem Schiff der eigenen Küstenwache, 177 Gerettete auf italienischen Boden zu lassen. Mittlerweile wird deswegen gegen ihn ermittelt. Und Spanien zeigt sich nach zwischenzeitlicher Hilfsbereitschaft weiter hart gegenüber den Flüchtlingen an den eigenen Grenzen.
Die zwölf aufnahmewilligen Länder Europas befürchten, ein fester Verteilungsschlüssel würde vermehrt Flüchtlinge direkt zu ihnen locken. Hat das Treffen von Macron und Merkel in Marseille am 7.9.2018 etwas in dieser Frage bewegt? Fotograf Nicoló Lanfranchi ist am Ende seiner Mission hoffnungsvoll ernüchtert von Bord gegangen.
Und die »Aquarius«? Hat auf der Weiterfahrt Richtung Marseille noch fünf Menschen vor Tunesien gerettet. Gibraltar hatte dem Schiff zum 20. August die Flagge entzogen, weil es nicht als Rettungs-, sondern als Forschungsschiff registriert sei. Doch nun wird man unter der Flagge von Panama weiterfahren. Im Hafen Marseilles laufen noch technische Anpassungen an Bord, Nahrungsmittel werden aufgestockt, ein Rettungsboot muss in die Werkstatt, die Crew wird gewechselt. Danach soll es wieder losgehen in Richtung libyscher Küste.
SOS Méditerranée rechnet damit, dass die »Aquarius« dann womöglich das einzige Rettungsschiff auf der zentralen Route sein wird, da die »Open Arms« von Proactiva sich auf die spanische Küste konzentrieren wird. Die kritische Lage in den Lagern erfordere noch immer Einsätze vor der libyschen Küste. Denn Migranten wie Augustin werden weiterhin versuchen, aus den Lagern zu fliehen und über das Meer nach Europa zu gelangen.
Der Kampf um Europas Seegrenzen geht weiter.
Kamera, Fotos, Interviews Nicoló Lanfranchi
Schnitt, Text, Redaktion Marco Kasang
Grafik Gernot Matzke
Motion Design, Programmierung Lorenz Kiefer
Dokumentation Nina Ulrich
Schlussredaktion Katrin Zabel
Redaktion Olaf Heuser